Yamaha Wolverine RMAX 1000 Fahrzeugtest 2021 im Mammut Freizeit Park
Fotos: Gerd Koch, Yamaha
Crossover-Modelle liegen im Trend, also solche Modelle mit denen man die Welt zweier Fahrzeugsegmente gleichzeitig erleben kann. Dass dabei ein Kompromiss herauskommt, ist von vornherein klar. Doch wie gut oder weniger gut ist dieser im Fall der RMAX Wolverine 1000 von Yamaha gelungen? Dazu mein Fahrtest.
Der Freizeitpark Mammut bei Stadtoldendorf in der Mitte Deutschlands ist das Testgelände. Als Gastgeber hat Yamaha-Motor Deutschland Fachjournalisten zum ausgiebigen Testen geladen. Diente der Freizeitpark bisher vorwiegend Geländewagenfahrern als Spielwiese, findet der Park mit seinen Hügeln und Wäldern sowie offenen Flächen auf 130 Hektar und einem 15 Kilometer langen Offroadwegenetz auch bei den Side-by-Side Piloten immer mehr Anhänger. Nach dem Test gehöre ich definitiv dazu.
Einsteigen
Die wuchtige Front der RMAX verspricht Sportlichkeit und Kraft. Das neue RMAX Modell gibt es in Deutschland in den beiden Versionen SE und Basis – jeweils als Zwei- und Viersitzer. Yamaha gibt dem RMAX den neu entwickelten Zweizylinder Reihenmotor mit 999 ccm Hubraum und ca. 108 PS Leistung mit an den Start. Ob der den Weg auch in die kommende ATV-Generation findet? Das bleibt zu hoffen.
Die Kombination aus CVT-Antrieb und einer vorgelagerten Fliehkraftkupplung schont den Antriebsriemen bei Belastung enorm. Bei allen Fahrsituationen wird der Riemen auf Spannung gehalten und kann so nicht durchrutschen und sich abnutzen oder bis zum Reißen erhitzen. Obendrein ermöglicht das ein weiches Ansprechverhalten beim leichten Gasgeben, zum Beispiel in selektiven Fahrsituationen. In den USA gibt es deshalb werksseitig 10 Jahre Garantie auf alle Antriebsriemen mit dem exklusiven Yamaha Ultramatic Getriebe in ATVs und UTVs. Ein Kaufanreiz auch bei uns?
Ein Kunststoff Sicherheitspolster in Arm-/Schulterhöhe erschweren das Einsteigen, reflektieren aber deutlich das Sicherheitsbedürfnis bei Yamaha zurückgehend auf die Rhino Ära. Die beiden Vordersitze sind super bequem und muten qualitativ hochwertig an. Sie bieten ordentlich Seitenhalt. Die Fahrer- und Beifahrertür könnte für meinen Geschmack höher und noch solider gestaltet sein.
Der Fahrersitz ist in der Längsachse verschiebbar – der des Beifahrers aber nicht. Das höhenverstellbare Lenkrad mit Servo-Unterstützung ist durch dicken Gummi super griffig und schützt Hände vor möglichen Vibrationen. Der digitale Tacho ist selbsterklärend und gut ablesbar. Die Drehschalter für drei Power-Fahrmodi (nur im SE-Modell), Licht und zuschaltbaren Allradantrieb bzw. Differentialsperre für die Vorderachse sind groß gehalten und damit mit Handschuhen ausgezeichnet zu bedienen. Mechanische Handbremse wie im Auto. Leichtgängige Schaltung aus Neutral in High, Low und in die andere Richtung in den Rückwärtsgang. Anschnallen funktioniert mit den höhenverstellbaren Gurten ohne große gymnastische Übung prima. Ich bin bereit für die ersten Testrunden.
Fahren
Fauchend springt der Zweizylinder hinter mir beim Drehen des Zündschlüssels an. Butterweich Vorwärtsfahrstufe einlegen, Power-Modus auf Trail und gut dosierbar setzt sich die Wolverine RMAX 1000 2, ein Zweisitzer Testmodell in der SE-Ausstattung, in Bewegung. Und der Testtag wird abwechslungsreich werden. Dafür sorgte nicht nur das Wetter. Als Inhaber des Freizeitparks fährt Jeroen Bernard Jansen in der ersten Runde mit einem der Testmodelle vorneweg. Gut so. Die Verzweigungen sind vielfältig und im Wald oder auf den selektiven Offroadwegen soll keiner schon auf den ersten Metern verloren gehen.
Die Motorgeräusche wirken gedämpfter als in den Side-by-Sides, die ich bisher gefahren habe. Yamaha hat Zeit bei der Entwicklung in eine möglichst gute Geräuschdämpfung verwendet.
Über den dreistufigen D-Modus (Sport, Trail, Crawl) lässt sich das Ansprechverhalten der abzurufenden Motorleistung verstellen. Die Leistung selbst steht immer im vollen Umfang zur Verfügung. Die Umsetzung über das Gaspedal ist dabei, je nach Geländeanspruch, unterschiedlich. Und das ist deutlich zu spüren.
Ich bin wie gesagt im Trail Modus unterwegs. Die Wolverine spricht hier weich doch mit zunehmenden Druck aufs Gaspedal immer kraftvoller an. Schon auf den ersten Wald- und Wiesenwegen pilotiert sie sich angenehm und immer gut kontrollierbar. Es geht streckenweise durch tiefe, ausgewaschene Rinnen die viel Gelegenheit geben, die Verschränkung, das Lenkverhalten und die Servounterstützung abzufragen. Letztere ist groß. Das Lenkrad schlägt mir im ganzen Tagesverlauf nie auch nur annähernd aus der Hand oder lässt Schläge von Unebenheiten ungefiltert durch. Top.
Bei den wenigen Gelegenheiten im Testgelände die RMAX bei höheren Geschwindigkeiten im Sport Modus „fliegen“ zu lassen erweist sich mir persönlich die Servounterstützung dann allerdings einen Tick zu nervös sprich zu stark unterstützend eingestellt. Für den Modus Trail und Crawl passt sie mir perfekt. Apropos Sportmodus: Der Motor gibt sich hier beim kleinsten Tritt aufs Gaspedal mit seinen 108 PS spritzig und bärenstark. Meine mir bekannten US-Kollegen attestieren dem Yamaha RMAX 2 1000 auf topfebener Strecke einen Topspeed von 70 mph. Das sind rund 112 km/h. Eine Möglichkeit das im Freizeitpark zu überprüfen gibt es nicht. Deutlich erfahrbar war allerdings die absichtlich geringere Motorbremswirkung in diesem Modus. Die beiden anderen Modi lassen, passend für den gedachten Einsatzzweck, eine stärkere Motorbremswirkung zu.
Ich nutze die Gelegenheit, die Dämpfung zu verstellen. Die massigen Fox Q3 Dämpfer sind narrensicher, auch mit verschlammten Handschuhen, ohne Werkzeug zu verstellen. Allerdings nur in der Druck- nicht in der Zugstufe. Letztere Verstellmöglichkeit wäre für sportlichen Einsatz wünschenswert gewesen. Die Unterschiede bei der möglichen Druckstufeneinstellungen sind mir vom Ergebnis bei den vorgefundenen Fahrmöglichkeiten am Testtag bei forscher Fahrweise nicht stark genug. Für den Freizeiteinsatz passen sie. Stabilisatoren an der Vorder- und Hinterachse verringern bei Kurvenfahrten das Wankverhalten des hochbeinigen Side-by-Sides. Prima. Breite Bereifung tut ihr übriges in Bezug auf Kurvenfahrstabilität.
Kann ich das Leistungspotential der neuen Wolverine leider nicht auf dem Gelände des Parks voll austesten, geht das um so besser mit dem Trail und Crawl Modus. Und dabei passiert mir ein Mißgeschick. Der Offroadweg vor mir wird immer enger und selektiver. Der Allrad ist jetzt zugeschaltet, der Fahrmodus bleibt weiter auf Trail geschaltet, die Fahrgeschwindigkeit reduziert sich deutlich bis auf teilweise unter Schrittgeschwindigkeit. Die Wolverine beginnt über Steine und starke Verschränkungen zu klettern – doch immer unwilliger. Irgendetwas stimmt nicht. Mit dieser Feststellung schießt es mir fast gleichzeitig durch den Kopf: Ich bin statt im untersetzten Getriebe, Stufe Low, immer noch in der höheren Getriebestufe High unterwegs. Es gibt Mitbewerber, dort hätte mich längst ein stark nach Gummi riechender Riemen – weil stark aufgeheizt durch Beanspruchung – an die übermäßige Belastung erinnert. Nicht so bei der verbauten Yamaha Duramatic, eine Fliehkraftkupplung, vor dem CVT-Antrieb. Kein Wunder also, dass man in den USA auf den Riemen die 10jährige Garantie gewährt.
Im Crawl Modus („Kriechgang“) bewegt sich die Wolverine auf den kleinsten Gaspedal-Befehl feinfühlig vorwärts beziehungsweise rückwärts. Sozusagen Schleichfahrt bei bester Fahrkontrolle. Das kommt einem möglichen Arbeitseinsatz entgegen, bei dem exaktes Fahren beziehungsweise Geschwindigkeit halten notwendig ist.
Es wird noch steiler vor mir. Mittlerweile habe ich mit einem Kollegen das Testfahrzeug getauscht. Ich sitze im Modell RMAX 1000 4, dem Viersitzer, ebenfalls in der SE-Version. Hauptunterschied neben den vier statt zwei Sitzen und der kleineren Reifengröße ist der etwas längere Radstand von 7 Zentimetern. Hört sich nach nicht viel an macht jedoch beim Fahren einen Unterschied. Der längere Radstand läuft noch stabiler als das kurze Modell, der Zweisitzer. Muss er auch. Bei voller Beladung entweder durch Passagiere und oder Ladung ist Fahrsicherheit gefragt. Das zusätzliche Gewicht sitzt direkt über der Achse. Mitfahrer sitzen hinten eingeengter als vorne aber komfortabel.
Vor einem kurzen Steilhang bleibt die Testkarawane erst einmal stehen. Die Einzel-Auffahrt der Testkandidaten im fünf Fahrzeug starken Testfahrertross ist gefordert. In der letzten halben Stunde hat allerdings ordentlich Regen eingesetzt. Die Auffahrt ist jetzt nicht nur sehr steil, sondern auch nass und damit extrem rutschig. Zu viel Schwung birgt die Gefahr dass die Front des Side-by-Sides abheben könnte. Zu wenig Schwung lässt die RMAX vielleicht die Passage nicht bezwingen. Ich entscheide mich für Variante zwei. Allrad, Differentialsperre, Untersetzung, Crawl-Modus. Alles zugeschaltet. Check. Neben dem Zusammenspiel der Antriebstechnik kommt es jetzt besonders auf den Grip der Reifen an. Bisher haben die keinen Grund zur Klage gegeben. Ob auf trockenen oder nassen Untergrund. Der steile Anstieg aus dem Stand heraus ist eine besondere Herausforderung. Meine Wolverine setzt sich in Bewegung und kämpft – nur unwesentlich. Im Schritttempo bewältigt sie die wortwörtlich vor ihr stehenden Aufgabe mit Bravour ohne große Anstrengung und vor allem mit nicht durchdrehenden Reifen. Ein perfektes Zusammenspiel an diesem Hang, zumal einige lose Steine diese Sektion zusätzlich erschwert haben. Die Fahrzeuge wenden oberhalb der Steigung und passieren sie bergab. Erneut unterstreicht der Crawl Modus mit der zugehörigen starken Motorbremswirkung seine Offroad-Tauglichkeit.
Die Regenmengen füllen die ohnehin schon gut befüllten Wasserdurchfahrten auf dem Gelände weiter an. Die Testmodelle versinken daher bis Türhöhe und darüber in den Fluten. Die Türgummis lassen erstaunlich viel Wasser in den Fußraum. Steht man zu lange in den kleinen Tümpeln ist das Beinkleid von Fahrer und oder Beifahrer gefährdet. Von dem Schuhwerk gar nicht erst zu sprechen. Angepasste Fahrgeschwindigkeit ist daher Trumpf um dem Wasser wenig Gelegenheit zu geben, den inneren „Poolbereich“ zu füllen. So schnell wie das Wasser drin war ist es nach dem Passieren der Durchfahrten auch schon wieder draußen. Ein Zentimeter hohe Wasser- und Schlammreste können durch Öffnungen im Fußraum, die durch Gummikappen verschlossen sind, abgelassen werden. Das freut auch beim Abspritzen des Fahrzeugs nach einem erfolgreichen Offroadtag im Schlamm.
Fazit
Gegenüber den Vorgängermodellen der Wolverine X2 und X4 850 aus 2019 hat sich im Design noch einmal sehr viel getan. Motorpower, Performance, Qualitätsanmutung, Fahr- und Sitzkomfort gefallen mir sehr gut. Besonders stark zeigen sich der Zwei- wie der Viersitzer sowohl in technisch anspruchsvollem Gelände als auch auf den weitläufigen Offroad-Trails des Freizeitparks Mammut. Persönlich wünsche ich mir noch stärker ansprechende Bremsen und eine Zugstufenverstellmöglichkeit an der für mich etwas steif wirkenden Fox-Federung bei sportlicher Fahrweise. Work and Play? Beide Welten bedient die neue Wolverine definitiv noch besser als ihr Vorgänger.