ATV Test Can-Am Renegade 1000R Xxc

„Zähm das Biest!“

Wer aktiv Fahren will liegt bei der 1000er Renegade genau richtig. Die Beschleunigung aus der nächsten Kurve ist brutal.

Can-Am konzentriert sich bei seinen sportlichen ATVs definitiv auf Performance. Unserem Testmodell Renegade 1000R in der Xxc-Version steht eine Leistung von satten 89 PS, feinste Federpakte von Fox und das neue Visco-Lok QE zur Verfügung. Wir haben versucht, das Biest auf der Straße wie im Gelände zu zähmen. Nicht immer ist uns das gelungen.

Triple Black. Alleine die Farbgebung verspricht den besonderen Ritt mit unserem aggressiv anmutenden Testmodell. Ganz unmissverständlich klar wird das, als der Zweizylinder sich fauchend mit dumpfer Tonart warmläuft. Vorher gilt es, sich mit dem neuen Aufsteckschlüssel anzufreunden. Verbaut ist an dieser Renegade das neue digitale Sicherheitssystem mit neuartigem Zündschlüssel. Der wird auf eine Kugelkopfkonstruktion lediglich aufgesteckt. Praktischer Nebeneffekt für den Renneinsatz: Über eine Abreißleine am Piloten befestigt geht der Motor sofort aus, wenn der Fahrer unfreiwillig im Rennverlauf absteigen muss. Gleiches gilt natürlich auch für den „Privatgebrauch“.

Renegade Asphalt-Cowboy

Natürlich, konstruiert und gebaut ist dieses sportliche ATV für den Geländeeinsatz. Unser Testmodell wird sogar vor dem Hintergrund der größten Offroadserie in den USA, der GNCC, beworben. Da es in Deutschland hinsichtlich der Gelände-Einsatzorientierung allerdings sehr viele Restriktionen gibt und der Eigentümer meist bis zum nächsten Offroadeinsatz erst einmal auf der Straße unterwegs sein muss, testen wir die Renegade zunächst auf Asphalt.

Das relativ hohe Fahrzeuggewicht verlangt bei schnellen Kurven den vollen Körpereinsatz. in Form von Gewichtsverlagerung.

Wahnsinnige 89 PS stehen diesem nach Herstellerangaben nur 314 kg (Trockengewicht) schweren ATV zur Verfügung. In der Realität wiegt die Renegade inklusive Motoröl, vollgetankt und mit allen weiteren Flüssigkeiten (Kühler- und Bremsflüssigkeit) nach unseren Recherchen wenigstens 332 kg – plus Fahrer. Dabei ist nicht klar ob Can-Am die Batterie bei der Gewichtsangabe „Dry Weight“ mit einberechnet oder nicht. Wenn nicht kämen mindestens weitere 2 kg Gewicht hinzu.

Wieso reiten wir so ausführlich darauf herum? Fernosthersteller werben ebenfalls mit knapp 1000 ccm Motoren. Verlockend auf den ersten Blick – auch vom Preis her. Natürlich. Was die Leistungsausbeute betrifft, sieht es dann schon wesentlich anders aus. Hinzu kommt meist noch ein Fahrzeuggewicht nahe der 400 kg. Jedes Kilogramm mehr an Bord reduziert ganz stark das persönliche Leistungserlebnis. Und hier liegt der Unterschied zu einem Modell wie der Renegade 1000. Ob der allerdings einen sehr hohen Mehrpreis ausmachen muss, das ist nun mal Geschmackssache und natürlich eine Frage des Geldbeutels.

Power ohne Ende

Wie dem auch sei: Mit einem Gewicht von etwas über 330 Kilogramm hat der Rotax Zweizylindermotor mit seinen 976 Kubik Hubraum absolut kein Problem. Die 89 PS Leistung katapultieren Mensch und Maschinerie derart hart nach vorne, dass die gut gemeinte Warnung ‚Festhalten!‘ eine ganz besondere wenn nicht sogar neue Bedeutung gewinnt. Aus dem Stand heraus – selbst mit ein wenig Anrollen – bäumt sich unsere Testmaschine mit beiden Vorderrädern auf, um dann mit hammermäßiger Wucht nach vorne zu preschen. Und die brachiale Beschleunigung nimmt gar kein Ende. Beim kurzen Blick auf den Digi-Tacho rasen die Zahlen nur so in Richtung Dreistelligkeit. Der Helm sollte bei dieser Beschleunigungsorgie auf jeden Fall gut am Kinn befestigt sein und die Motocross-Brille sicher sitzen. Geradeaus ist die 100 km/h Marke in wenigen Sekunden erreicht. Adrenalinausschüttungen in Großhandelsformat sind garantiert. Ein derartig heftiges Fahrvergnügen hatten wir zuletzt beim Testen eines japanischen Quadherstellers im 450er Hubraumbereich. Und bei der Renegade wird das doppelte Gewicht beschleunigt.

Auf der Autobahn – richtig gelesen – wollen wir nun nach der Eingewöhnungsphase noch mehr Speed abrufen als das auf der Landstraße sicher möglich gewesen wäre. Der Tacho zeigt bis der Drehzahlbegrenzer bei 7.600 Umdrehung eingreift, 130 km/h. Eingetragen ist diese Can-Am im Fahrzeugschein mit 120 km/h. Das GPS zeigt bei der Testfahrt echten 123 km/h Topspeed an. Selbst bei Überholmanövern mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h zieht die 1000R Renegade noch bärenstark an und ruckzuck lässt man LKWs und PKW-Anhängergespanne im Rückspiegel zurück. So muss es sein.

Besonders positiv fällt uns die Spurtreue des Fahrzeugs bei diesen hohen Geschwindigkeiten auf. Kein Ausbrechen noch irgendeine Unruhe im Fahrwerk beim Fahren – selbst bei Seitenwind. Und das mit Geländereifen (wir waren ausschließlich auf trockener Fahrbahn unterwegs). Wow. Der G2-Rahmen zusammen mit der TTI-Hinterradaufhängung – eigentlich für den Offroadeinsatz entwickelt – zeigen auch in diesem Einsatzspektrum ihr großes (Sicherheits-) Potential. Top.

Nach 30 km Autobahn biegen wir ab. Es reicht mit der Geradeaus Bolzerei. Kurvenreiche Seitenstraßen liegen nun vor uns. Das verspricht Abwechslung. Nach den ersten paar Kehren ist aber eines offensichtlich: Das Biest will in diesem Geläuf sehr aktiv gezähmt werden. Es lässt sich zwar vorzüglich durch die Kurvenlandschaft Cruisen doch dafür ist dieses Powermonster einfach viel zu schade. Also: Gas!

Kurvenräuberei

So stark die Renegade 1000 Xxc im Antritt ist so schwer lässt sie sich in schneller Kurvenfahrt auf Asphalt zähmen. Achtung! Will man nur annähernd das volle Kurvenpotential des ATVs abrufen, ist die von uns immer wieder angesprochene ausgeprägte Körpergewichtsverlagerung ein absolutes Muss. Ein bisschen die Schultern in die Kurve lehnen reicht definitiv nicht aus. Der Kurvenrand kommt dann schneller näher als einem lieb ist.

Adrenalinausschüttung unterwegs mit der Renegade ist garantiert

Warum ist das so? Das ATV wirkt sehr schwer beim Wedeln durch die vielen engen Windungen der Straßenlandschaft, der wir folgen. Die Sitzbank ist uns zu breit für die geforderte schnelle Gewichtsverlagerung. Ein sportliches hin- und her Rutschen in den Kurven wird so etwas behindert. Die Renegade knickt im Gegensatz zur 1000er Outlander beim Gasgeben in den Kurven über die Vorderräder nur leicht ein. Prima. Die serienmäßig montierten ITP-Holeshot Vorderreifen bringen bei steigender Kurvengeschwindigkeit viel Grip mit. Erstaunlich für Geländereifen.

Irgendwann beginnen sie allerdings über den Straßenbelag zu radieren. Ein Gegenhalten erfordert spätestens jetzt großen Körper- und Krafteinsatz. Dennoch: Sie gehören zu den besten Geländereifen, die wir je auf Asphalt getestet haben. Auch bei Nässe. Hier kommt der Punkt, an dem der Grip verloren geht, sehr spät dafür aber um so plötzlicher. Darauf sollte man vorbereitet sein.

Eigentlich sollte die dreistufige Servolenkung (Tri-Mode Dynamic Powersteering, kurz DPS bei Can-Am) den Krafteinsatz beim Lenken zum Teil minimieren doch in den beiden Stufen Medium und High, in denen wir die meiste Zeit unterwegs waren, ist uns die Lenkunterstützung etwas zu schwach und gleichzeitig zu nervös im Grenzbereich. Notwendige Lenkkorrekturen beim schnellen Kurvenfahren fallen uns im Gesamtergebnis daher nicht sauber genug aus. Das bringt viel unnötige Unruhe ins Fahrverhalten. Der Bereich, bei dem man das ATV noch sicher unter Kontrolle hat, ist somit zu schnell erreicht. Da ginge definitiv mehr. Wie gesagt, dass Ganze tritt in unserem Test bei hohen Kurvengeschwindigkeiten und umso stärker auf, je enger der gleichzeitig gefahrene Kurvenradius ist.

Sofasitz zu breit

Bei der Hatz durch den Asphaltdschungel wird die sofaartige, weiche Sitzbank für uns zu einem echten Störfaktor. Neben ihrer Breite sitzt sie sich obendrein schnell durch. Sobald das Polster angewärmt ist spürt man immer deutlicher die Kunststoffschale darunter. Das bringt zwar den Schwerpunkt nach unten, hat aber mit Sitzkomfort für ein solches Topmodell in unseren Augen nichts zu tun. Besonders bei den Körpergewichtsverlagerungen ist der Sitzbankrand unangenehm zu spüren. Ein weiteres Manko der Sitzbank: Aufgrund der enormen Leistungsausbeute, die mit dieser 1000er Renegade möglich sind, bietet die Sitzbank für den Fahrer nach hinten nur minimale Halte-/ Stützfunktion für den Körper, um den Beschleunigungskräften entgegenzuwirken. Zu viel unnötige Kraft muss beim Festhalten am Lenker mit der Oberkörpermuskulatur aufgewendet werden. Das ermüdet auf Dauer und mindert den möglichen Fahrspaß.

Wer schnell unterwegs sein will, muss eine Bremsanlage an Bord haben, die das Fahrzeug zuverlässig verzögert. Das hat die Renegade. Da der Focus bei diesem ATV aber auf Sport liegt, liegen uns die Bremshebel für eine sportliche Fahrweise etwas zu weit vom Lenker entfernt. Nur ein bis zwei Zentimeter näher würden einen enormen Unterschied ausmachen. Die Hebel ließen sich so noch besser mit dem Zeigefinger bedienen statt weitere Finger nehmen zu müssen, die dann – besonders später beim Offroaden – als Haltehilfe am Lenker fehlen. Doch mit dem Ist-Zustand können wir leben.

Filigrane Bremswirkung sieht für uns allerdings völlig anders aus. Mit viel Kraft – zu viel Kraft für ein Sportgerät dieses Kalibers – müssen wir in die Hebel greifen. Vor allem in den so wichtigen Vorderradbremshebel. Das Bremsfeedback ist uns dann obendrein zu teigig. Ein eindeutiger knackiger Bremspunkt ist auf Anhieb nicht leicht zu finden. Gleiches gilt für den Hinterradbremshebel, der mit dem rechten Fuß bedient wird. Hier blockieren die Räder anfangs sehr schnell ungewollt.

Renegade Gelände Ritt

Es reicht mit Asphalt. Jetzt wollen wir die Renegade in die Umgebung bringen, für die sie eigentlich von ihrer Entwicklung her gedacht und gebaut ist. Offroad.

Volles Rohr mit der Renegade Offroad.

Das mit der wahnsinnigen Beschleunigung hatten wir schon. Nur das diese Can-Am hier im Gelände noch kräftiger beißt. Die ITP-Reifen krallen sich im Untergrund fest. Der Kick beim Gasgeben ist noch härter. Die Nervosität der Servolenkung beim schnellen Kurvenfahren ist fast weg– das Einknicken leider nicht. Da hilft auch keine extreme Gewichtsverlagerung. Irgendwann muss man das Gas wegnehmen, um das Biest unter Kontrolle zu halten.

Der Dämpfer-Hersteller Fox ist bei den sportlichen Can-Am ATV-Modellen Hoflieferant. Die Xxc ist mit Fox Performance Series 1.5 Podium RC2-Stoßdämpfern serienmäßig versehen. Die Zug- und Druckstufe sowie Federvorspannung lassen sich mannigfaltig einstellen – und verstellen. Wer sich hier als Einsteiger an die Anpassung der Dämpfer an den persönlichen Fahrstil wagt, der sollte unbedingt Notizen darüber führen, was er von der Grundeinstellung aus gesehen, verstellt hat. Passt das Setup nämlich nicht, so kann alles auf die Ausgangsstellung gebracht werden.

Wir haben uns zunächst mit der Grundeinstellung begnügt. Und die ist eine Wucht. Ob schneller oder langsamer Geländeritt mit mäßigen Unebenheiten – die Dämpfung passte zu unserem etwas aggressiveren Fahrstil. Bei den ersten Sprungversuchen das gleiche Bild. Je weiter und höher der Sprung danach allerdings wurde, umso härter schlug die Renegade auf. Ein paar Klicks an der Druckstufe regelten das schnell wieder in den Komfortbereich. Gleich schnelle Einstellergebnisse liefert die Zugstufe. Vor Sprüngen wie mit einem Sportquad raten wir ab. Die Renegade ist dafür bei der Landung zu schwer.

Gut beherrschbar in der Luft.

Schön ist bei den Fox-Dämpfern, dass sie kein Schmuckbeiwerk sind, sondern funktionieren. Ein paar Klicks links oder rechts und es ist sofort ein Unterschied in der Dämpfung spürbar. Wem das alles nicht genügt, der kann auch noch die Federn gegen weichere bzw. härtere austauschen. Kein Problem.

Die Dämpfer staucht es ordentlich bei der Landung zusammen.

Visco-Lok QE

Can-Am verbaut seit einiger Zeit das neue Visko-Lok QE. QE steht für Quick Engagement zu deutsch: schnelles Zuschalten. Und gegenüber den alten Visko-Lok Systemen ist die Sperrwirkung nicht erst nach ein paar Radumdrehungen ohne Bodenhaftung vorhanden, sondern sofort auf den Punkt. Wir haben dazu das ATV rückwärts unsere leicht matschigen Sprunghügel langsam hinauffahren lassen. Im Heckantrieb drehen beide Hinterräder sofort durch. Wir schalten das Visko-Lok (wird tatsächlich so geschrieben) zu.

Neuer Versuch. Problemlos zieht sich die Renegade den Hügel nach oben. Alle vier Räder werden angetrieben. Abwärts ist die enorm starke Motorbremsleistung zu erfahren – uns ist das allerdings zu viel. Besonders bei technisch sehr anspruchsvollen Passagen oder im Stadtverkehr, die mit wenig Geschwindigkeit unter 30 km/h gefahren werden, nervt das ständige Hardcore Abbremsen des Motors.

Auf dem Rückweg zum Redaktionsstandort geht es noch schnell an die Tanksäule. Klar, der Verbrauch ist stark von der persönlichen Fahrweise und der Beanspruchung abhängig. In der Vergangenheit unserer Tests glänzten aber immer wieder vor allem die Rotax-Motoren, die Can-Am bei seinen Freizeitfahrzeugen einsetzt, durch hohe Leistung und gleichzeitig geringem Verbrauch. Nicht anders sieht es bei unserem Testmodell Xxc 1000R aus. Geschont haben wir die Renegade nicht. Zu verlockend ist der permanente Leistungsrausch. Am Ende sind es 11,8 Liter auf 100 km. Das passt. Mit mehr Cruising Anteilen – das ist uns echt schwer gefallen – konnten wir den Verbrauch auf 10,6 Liter senken.

Fazit Renegade 1000R Xxc:
Wer Leistungsjunkie ist oder werden will, für den ist die Renegade Xxc 1000R genau das richtige. Den stören auch unsere Mäkeleien an der Sitzbank und den kraftaufwendigen Bremsen sowie stärkeren Körpereinsatz und der starken Motorbremse nicht. Can-Am stellt, zugegeben zu einem hohen Preis, ein ATV zur Verfügung, an dem für den sportlich-kraftvollen Freizeiteinsatz kaum etwas nachzurüsten ist. Und dieses Leistungs-Biest gilt es, einmal ins Rollen gekommen, erst einmal zu zähmen. Aber die Leistungsausbeute macht einfach süchtig.

Wer ernsthaft den Wettbewerbsein-satz überlegt, oder den weniger kraftaufwendigen Straßeneinsatz sucht, sollte durchaus das um rund 1.500 Euro günstigere Modell Renegade 850 Xxc in Betracht ziehen. Zwar ist diese Can-Am mit weniger PS ausgestattet, dafür aber auch um 11 Kilogramm leichter. Die Wendig- und Manövrierfähigkeit ist erleichtert. Außerdem zerrt die „kleine“ Xxc nicht ganz so gewaltig an den Armen. Alles Faktoren die in einem langen Rennen oder bei einer ausgiebigen Ausfahrt zugunsten der Kondition eine Überlegung wert sind.Ein 650er XXc Renegade Modell gibt es auch.

LINK