Was macht man als ATV-Marktführer mit einem Modell das sich 1000fach verkauft hat und das Maximum an Motorgröße erreicht hat? Nur kleine Design Retuschen, andere Farben? Das war Polaris nicht ausreichend genug.

Mächtig steht das Sportsman XP 1000 S Modell in der Redaktionseinfahrt. Breiter und höher als man das sowieso schon von dem „Normalo-Modell“ XP 1000 kennt. Böse funkelt mir die Frontpartie mit den beiden LED-Scheinwerfern entgegen. Ich bin gespannt auf das Fahrverhalten mit dem jetzt serienmäßigen breiterem Fahrwerk und auf die Performance des Zweizylinders. Immerhin wiegt diese Sportsman XP 1000 S mit 440 kg Trockengewicht ganze 45 Kilogramm mehr als die schmälere Version der Sportsman XP 1000. Die ist übrigens nicht mehr auf der Homepage von Polaris Germany zu finden. In Frankreich weiterhin aber zum gleichen Preis wie ein S-Modell zu haben.

Die Polaris Sportsman XP 1000 S wiegt trocken, also ohne Flüssigkeiten, bereits 440 Kilogramm. Der Zweizylinder ProStar Motor mit knapp 90 PS kommt jedoch damit spielend klar.

Polaris nutzt den gleichen ProStar Zweizylinder im S-Modell wie bei den 1000er Sportsman und Scrambler Modellen. Aus 952 Kubik schöpft der 89 PS statt wie bisher 90 PS im XP 1000 Modell ohne S. Der Auspuff ist von der rechten Seite in die Mitte des ATVs gewandert.

An der Stelle des Endrohrs lugt nun aber die Entlüftung der PVT. Ob das ein kluger Schritt war denke ich mir noch beim Aufsteigen. Kommt man bei einer Flussdurchfahrt zum Stehen könnte da theoretisch Wasser in die PVT eindringen. Ganz zu schweigen von dem durch das Hinterrad aufgewirbeltem Dreck und Matsch. Nicht so gut, wie ich finde. Von Extremfahrern habe ich bisher allerdings kein negatives Feedback zu meinen Bedenken.

Der Entlüftungsschlauch der PVT-Automatik liegt im Radkasten hoch aber ziemlich offen.

Hat der Motor Leistungspotential?

Zündschlüssel ganz nach rechts drehen und der ProStar Motor blubbert tief im Zweizylindertakt los. Auf den ersten Kilometern lasse ich es erst einmal langsam angehen. Eingewöhnungsphase. Ich sitze gefühlt hoch zu Ross. Polaris gibt 94 cm an Sitzhöhe an. Der Sitzschaumstoff unter mir fühlt sich für mich zu weich an. Für den sportlichen Einsatz würde ich persönlich eine härtere Polsterung wählen. Die Verwendung der Scrambler Sitzbank wäre ideal. Und die bietet beim Beschleunigen noch mehr Halt nach hinten.

Der Motor lässt sich per Wipphebel im Fahrmodus Work, Standard und Performance bewegen. Im Work Modus ist das ATV sehr präzise und gefühlvoll mit wenig Gasgeben zu bewegen. Schon im Standard Modus reagiert die Sportsman mit viel sportlichem Schub aber ausgezeichnet dosierbar auf jeden Daumengasbefehl.

Ich rolle Richtung Bergrennstrecke. Mit der elektronischen Lenkunterstützung fehlt der zu erwartende Kraftaufwand ein solches Monster zu bewegen. Ist ein Kinderspiel. Und die Unterstützung lässt sich auch noch stufenweise über das Display je nach Geschmack und Einsatzzweck einstellen.

Ein lange Gerade tut sich vor mir auf. Logisch. Vollgas. Die Sportsman spurtet wie nichts auf etwas über 100 km/h. Eine leichte Unwucht der Serienbereifung lässt mich die Hatz nach dem letzten Kilometer Topspeed allerdings abbrechen. Das kann auch an den grobstolligen Duroreifen liegen. Vorne sind 9 und hinten 11 Zöller montiert. Bei dem Scrambler Modell sind es viermal 9 Zöller. Das Schuhwerk hätte der Sportsman ebenfalls gut gestanden. Den Arbeitseinsatz im Sinn hat man sich bei Polaris aber für das breitere Reifen Setup beim Sportsman Modell hinten entschieden. Passt.

Eine großartige Gewichtsverlagerung ist bei moderater Fahrweise nicht notwenig. Will man aber das Leistungspotential der Sportsman Modell-S auskosten und mit viel Speed auch in den Kurven unterwegs sein, so sei diese jedoch angeraten.

Die Bergrennstrecke ist erreicht. Warum teste ich ausgerechnet hier die Straßenperformance? Geradeaus Fahren bringt nicht wirklich große Erkenntnisse. Aber in den giftigen Kurven dieser Strecke mit ihrem großen Gefälle/ Steigungen trennt sich die Spreu vom Weizen. Und das seit über 30 Jahren nun, in denen ich ATVs/ Quads fahre und teste. Seien es die Bremsen, die Motoransprache, Motorkühlung, die Performance im Allgemeinen, das Fahrwerk, Fahrstabilität, Sitzposition usw. Vor dieser Strecke bleibt auch die Sportsman XP 1000-S nicht verschont. Hier müssen alle durch. Los geht‘s.

Was bringt das breite Fahrwerk auf der Straße?

Kurvenstabilität. Das hat mich vor allem interessiert. Immerhin ist die Fahrwerksbreite um 20 cm auf 140 cm und der Radstand um 10 cm auf rund 145 cm gewachsen. Und das sehe ich nach vorne schauend deutlich. Die beiden Reifen sind rechts und links sehr gut außenstehend zu erkennen. Wie stark ist eine Gewichtsverlagerung damit eigentlich noch notwendig? Schon in den ersten weiter gehaltenen Kurven ist die bessere Kurvenstabilität spürbar. Gewichtsverlagerung ist kaum nötig. Das ATV fährt wie auf Schienen. Klasse.

Aufgrund des weiteren Radstandes um 10 cm verhält sich das ATV sehr spustabli bei allen Geschwindigkeiten.

Die Kurven werden enger. Ich steigere den Speed. Und siehe da, das kurveninnere Rad hebt wie bei allen ATVs mit Einzelradaufhängung irgendwann doch noch vom Straßenbelag ab. Eine ordentliche Gewichtsverlagerung wirkt dem Eintauchen über die vorderen Dämpfer und eben diesem Abheben hinten entgegen. Um das Potential des ATVs voll auszukosten ist sie notwendig. Durch den quer eingebauten Motor ist die Sitzbank vorne schmaler und daher ist das im Wechsel von rechts nach links und umgekehrt sehr einfach möglich.

Die Bremsanlage wird über einen zentralen Bremshebel angesteuert. Alternativ dazu gibt es die Fußbremse. Sie wirkt nur auf die Hinterräder. Mir ist die integrale Bremspower auch bei sportlicherer Fahrweise mehr als ausreichend. Bei der Kurvenhatz bergab schieben rund 570kg Fahrzeuggewicht von hinten mit an. Vollgetankt, alle Flüssigkeiten an Bord inkl. Angst-Pipi und Fahrer mit Schutzkleidung. Die Bremsanlage der Sportsman bringt das ATV auch hier immer sicher zum Stehen. Apropos. Mehrere Vollbremsungen aus rund 60 – 70 km/h habe ich auf den Asphalt gelegt. Das ATV taucht dabei tief vorne ein. Darauf sollte man sich einstellen.

Gut zu wissen vor einem harten Bremsmanöver. Die Sportsman taucht tief vorne weg.

Abgespecktes Dämpfer-Paket

Bei der Neuvorstellung in 2019 wurde die Sportsman XP 1000 S noch mit voll einstellbaren Walker Evans Dämpfer präsentiert. Die sind ab dem Modelljahr 2022 aus Kostengründen „abhanden“ gekommen. Leider. Lässt sich das auf der Straße noch verschmerzen sieht es bei der Geländefahrt anders aus. Je schneller ich die Sportsman über Unebenheiten treibe, desto holziger zeigt sich das Fahrwerk. Bei den größeren Sprüngen und bei schnell gefahrenen groben Wellen schlägt es dann fast durch. Das war ohne Ausgleichsbehälter und Verstellmöglichkeiten in der Druck- und Zugstufe bei einem solchen Fahrzeuggewicht nicht anders zu erwarten. Für ein Nachrüst-Set mit vier Dämpfern z.B. von Walker Evans, TFX oder Elka werden rund 4.000 Euro fällig.

Wer sein ATV sportlich semi- oder gar professionell einsetzen will, dem empfehle ich die Firma JayParts. Aus vielen Jahren eigenem Renneinsatz weiß Firmeninhaber Jay Gröpl wovon er spricht. Seine Erfahrung hat er in unzählige Spezialteile fließen lassen. Die machen das ATV, Side-by-Side oder auch Quad fit für den langfristigen, strapaziösen Einsatz im Gelände. Ein Gespräch mit Ihm: sehr empfehlenswert!

Das erste ATV bei dem man einen Motorölwechsel im Liegen direkt unter dem Fahrzeug durchführen kann. Die Bodenfreiheit beträgt fast durchgehend 37 Zentimeter.

Fazit

Polaris hat es geschafft. Erneut. Als Marktführer ist mit der Sportsman in der S-Version ein Alleinstellungsmerkmal gelungen. Super dosierbare und kräftige Motorpower ist bei allen Geschwindigkeiten abrufbar. Die Sportsman zerrt durch die sehr gelungene PVT-Abstimmung trotz der Motorpower nicht ermüdend an den Armen. Das volle Leistungspotential lässt sich so lange Zeit voll ausschöpfen.

Das breitere Fahrwerk bringt viel zusätzliche Kurvenstabilität. Dadurch ist viel Luft Richtung Grenzbereich Umkippen. Im Gelände bügelt das ATV bei moderater Fahrweise souverän durch die Landschaft. Lediglich die ehemalig serienmäßig vorhandenen Dämpfer von Walker Evans mit Ausgleichsbehälter vermisse ich bei sportlicher Fahrweise.

Hier fährt man hoch zu Ross. Die Sitzposition ist äußerst angenehm.